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Wider die Kälte im Herzen des grünen Kapitalismus

Überlegungen zu einer spirituellen Ökologie

von Peter Erlenwein

 

Das Gespräch der Sachverständigen mit den Politikern in Bayern drehte sich um das neueste ‚grüne‘, also ökologische Mammutprojekt. Die Frankentrasse hatte man es kurzerhalb getauft. Keine neue Autobahn mehr, aber noch großflächiger, sprich landschaftsvertilgender angelegt: auf einer etwa hundert Meter breiten Schneise, sollen Windräder von ck. 70 Meter Höhe das mittlere Deutschland von der Nordsee nach Franken, mithin etwa 500 km, aufgepflanzt werden, um den Süden mit sauberer Energie zu versorgen. So die Idee, die ein Gremium von Experten ausgebrütet hatte, die nun von den Politikern als neues Heilsversprechen einer arglosen Öffentlichkeit vermittelt wurde. Man hatte mit nichts Bösem gerechnet; doch der Proteststurm, der alsdann einsetzte, verunsicherte selbst den ansonsten mit allen Wassern gewaschenen Horst Seehofer. Was war da los mit den Deutschen? Nun ja, die Trasse führte, wie das bei solchen Unternehmungen so ist, durch Herzlandschaften deutscher Kultur und Geschichte. Die Experten waren eben Sachverständige, die weniger grünes Land als hypermoderne Windflügel in ihren Köpfen hatten. Was war nur in die Bauern und Dörfler gefahren? Wollten sie, in einem Anfall romantisch-sentimentalischer Stimmung, doch keine grüne Energie; wollten sie an Überkommenem, eben Wald und Wild, unbedingt festhalten? Konnten sie nicht einsehen, dass sich die letzten paar Hasen und Füchse, welche sich inzwischen, so die Meinung wiederum anderer Experten, ja auch unter flächendeckenden  Solaranlagen wohlfühlen sollten, wollte sich da nicht auch der deutsche Naturmensch unter den himmelstürmenden Windflügeln einfinden können- angesichts der puren Notwendigkeit derart neuer großartiger Technologien, die uns nicht nur reine Umwelten bescheren sondern die uns überhaupt in wunderbare Zeiten führen würde? Nun stellt sich leider heraus, dass es eigentlich um die Verstromung von Braunkohle aus dem Osten geht. Energiewende ade? Stattdessen Großgeschäfte der Energieriesen. Business as usual. Das gemeine Volk ist aufgebracht; das Stichwort von einem zweiten Wackersdorf macht die Runde.  Die CSU Zentrale ist beunruhigt. Klärungsbedarf scheint angesagt, um abzuwiegeln. Doch bislang  geruhten die betroffenen Gemeinden nicht zu ruhen; jede Menge Anträge zur Verhinderung der Trasse sind auf den Weg gebracht.

Worum also geht es, außer um die Frage, wer unter dem  sirrenden Geflügelwerk  zu leben haben wird; nebenbei gefragt, wieviele der Sachverständigen selbst würden wohl dazu gehören? Oder hatten diese,  in weiser Voraussicht, in weniger technikinfizierte Landschaften ihre Häuschen gebaut? Spaß beiseite. Lassen wir eine Zahl sprechen: die Landschaftsfläche der Bundesrepublik Deutschland, einem Land mit über 80 Millionen Einwohnern, ist im letzten Jahr? um  rund 7.4 % geschrumpft, und verschwindet in rasendem Tempo weiter; denn neben die Großindustrien der Vergangenheit, also Kohle und Stahl und der ultragefährlichen Atomenergie, trifft nun die vierte Welle auf das Land: Wind, Solar und Erdenergie. Was heißt- der Energiehunger kapitalistischer Wirtschaft nimmt kein Ende; jedes Smartphone landet nach kurzer Zeit zugunsten eines noch raffinierteren im Elektromüll.

Die Angst, nicht mit genügend Energie, also Konsummöglichkeiten versorgt zu sein, ist der stete Begleiter solcher Ökonomie der ununterbrochenen Knappheit. Der Heißhunger auf natürliche Lebens-Güter zum technologischen Konsum läßt uns immer mehr ver-brauchen und wir scheinen  mit dieser Junkiementalität an kein Ende kommen zu wollen. Ein Raubgierreflex, der den Westen, bestehend aus zwei der reichsten Kontinente dieser, und vergangener Zeiten sowieso, seit langem  umnachtet. Schon wird das Gas knapp, die nächsten Kriege, so flüstert es, gehen um die letzten Ressourchen- Erde  (insbesondere die kostbaren/seltenen Erden), dazu Wasser und saubere Luft- die Luft zum Atmen. Was aber ganz ersichtlich jeden Tag mehr zur Neige geht ist schlichtweg die Natur um uns herum- Wald, Wiese, Flußlandschaften undFeuchtgebiete- von Größerem, den entfischten Ozeanen beispielsweise, gar nicht zu reden. Das Problem der Grünen: Grün entschwindet und mit ihm Fauna und Flora im All-gemeinen.  Von grüner, also lebensspendender Energie zu sprechen, ist in diesem Hinblick einfach nur noch  zynisch. Damit das Land aber nicht untergeht, setzt nicht nur obiger Expertenrat, vorsichtshalber weiterhin auf die erste Energiephase- sprich (Braun)kohle. In einem Papier votierte er ungeniert für die wie immer unbedingte Notwendigkeit dieser flankierenden Maßnahme.

 Aus solch einem Hamsterrad ist schwerlich herauszukommen, solange man nicht realisiert, dass entscheidende Kreise der Gesellschaft wenig Interesse hegen, hier zu neuen Ufern zu gelangen. Angst macht gefügig und der Markt läßt die Hirne im Nebelhaften wandern. Wie sagte doch Carl Amery, der große Ökologe und weitsichtige literarische Mahner aus Bayern: Alldieweil der Staat am Dogma von TINA: ‚There is no Alternative‘ (Margaret Thatcher) festklebt, gibt es keine Chance auf eine geistige Erneuerung! Und diese braucht es mehr denn je, um den Teufelskreis einer nun grün genannten kapitalistischen Fudamentalwirtschaft zu durchbrechen. Es bedarf einer umfassenderen, lebensfreundlicheren Einsicht, die eine Hildegard von Bingen schon vor 800 Jahren deutschen Landen und seinen Menschen in einer christlichen Sprache nahe zu bringen suchte: das Grün, das wir suchen, ist die LEBENSfarbe schlechthin, von der Sonne hervorgelockt, alle Natur durchpulsend mit einem Licht, das Leben bringt, bis hin zu so etwas Faszinierendem, das wir Bewußtsein nennen. Die Quelle dieses Lichtes nannte die deutsche Mystikerin Gott, die Wissenschaft spricht lieber von thermonuklearen Konvulsionen.Und waren die Deutschen nicht schon immer bessere Sonnenanbeter als Christen auf ihren jährlichen Pilgerfahrten ans Mittelmeer?

Wie dem auch sei, deutlich wird angesichts des fortschreitenden Ökozids auf Erden, dass wir zweifelsohne einer spirituellen Ökologie bedürfen, die uns den innigsten Zusammenhang von Geist, Natur und Mensch erkennen läßt,- egal ob wir Christen, Atheisten, oder auch schlicht Kapitalgläubige sind. Wir brauchen den Aufschwung in ein neues Bewußtseinsfeld, das umgreifender ist als das, was wir bis jetzt kennen. Die Energiekrise ist Ausdruck einer Klimakrise eines wortwörtlich vergifteten Bewußtseins, das in seiner zerstörerischen Kraft zu einer globalen Kulturamnesie  geführt hat- im wirtschaftlichen wie im politischen Feld menschlicher Zivilisation.

Jeder, der nicht völlig eingelullt ist von TINA spürt es, weiß es: der Planet mit der blauen Sphäre, Biossphäre, genährt vom Sauerstoffwechsel der Wälder und Meere hat ungeheuerliche schwarze Löcher bekommen: Artensterben, Urwaldsterben, Landvernichtung, schließlich die rasend fortschreitenden  Polschmelzen. Alles in allem ein Erlöschen nicht rückholbaren Lebens in Großformat, wie es die Geschichte der Evolution seit dem Sauriersterben nicht mehr gesehen hat. Im politischen Gefilde von homo sapiens selbst enstehen gleichzeitig ebenfals immer größere ‚schwarze Löcher‘- Afghanistan, Irak, Palästina/Israel, seit drei Jahren Syrien, - zerstörte Lebensräume und Gesellschaften, deren Bevölkerungen verjagt und ermordet werden, während  die internationale Politik in Akten verbaler wie aktionistischer Hilflosigkeit verglimmt. Das höchste gemeinsame Gut der menschlichen Zivilsation geht dabei kontinuierlich über Bord: Demokratie und Menschenrechte.

 Beide werden sich nur regenerieren, wenn wir zu einer spirituellen Ökologie finden-d.h. zu der Wahrnehmung heranreifen, dass dieser Planet eine lebendige Ganzheit im Universum ist, davon die Menschheit selbst Glied, Organ und Ausdruck ist- ein einziger ‚Weltinnenraum‘, um ein Wort Rilkes aufzugreifen. Unterhalb dieser Erkenntnis, die das Herz aller Religionen und spirituellen Traditionen ausmacht, gibt es keine wirkliche Lösung der globalen Krise. Sie ist im Wesen keine Umwelt- sondern eine Inweltkrise des momentanen kollektiven insbesondere westlichen Mentalzustandes, der sich vor nichts mehr fürchtet als zur Sättigung, will sagen zum Frieden zu kommen. Eine trans-rationale Vernunft, die sich vom Hungertrieb abwendet, scheint ihm nur abwegig. Aber die Zeiten eines klassischen okzidentalen Wissenschaftsempirismus, der vorab nur das Außen als Wirklichkeit  anerkennt, sind- seit Einstein, Plank und Heisenberg-  nur noch eine sehr begrenzte Variante im Spektrum einer viel umfassenderen, komplexeren Realität, die der Quantenphysiker Hans Peter Dürr einmal so beschrieb:

Es gibt eine energetische und materielle Auswirkung des Ganzen, ohne dass dieses Ganze, diese Einheit sich darüber definiert. Fazinierender noch, die Welt ist immer nur die Einheit und alles ist von Anfang an da. Das Ganze offenbart immer schon den Sinn, die Bedeutung muß also nicht nachträglich erst zusammengesetzt werden. Beziehungshaftigkeit ist der Grundcharakter von Einheit. Ein genaueres Wort dafür ist Liebe, bzw. lieben.

 Mithin, die geistige Evolution bleibt nicht beim euroamerikanischen Weltbild vom homo sapiens des 21. Jahrhunderts stehen, der Atombomben zu konstruieren  und das Internet zu erfinden vermag, aber in Sachen Toleranz, Friedensbereitschaft, Kooperation und Mitgefühl nicht sehr weit über einen egomanischen, virtuellen Kapitalismus hinauszuschauen bereit ist. Das gilt nicht  nur für einen Großteil der herrschenden Eliten im Westen  sondern an vielen anderen Orten der Welt ebenso.

Keine der im deutschen Parlament anwesenden Parteien, auch die Grünen oder Linken nicht, -letztere kauen zudem noch immer an ihrer Vergangenheit-, zeigen in ihren Programmen Ansätze eines visionären Realismus, der bereit und fähig wäre, den Blick auf eine Zukunft zu werfen, die von jener transformativen Einsicht geprägt ist, in der wissenschaftliche Erkenntnis und spirituelle Intuition die bio-energetische wie geistige Einheit von Mensch, Kosmos und Erde zu focussieren vermöchten. Diese bezeichnet exakt die Stufe einer Zweiten Aufklärung, in deren Mittelpunkt die Evolution der Demokratie in all ihren Facetten- ökologisch, politisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell heute steht. Lebendige Prozesse evolvieren oder regredieren;  sie kennen keinen Status quo.


Der Abfall demokratischen Bewußtseins in einen plutokratischen Globalkapitalismus, der Wenigen alle Möglichkeiten eines unfaßbaren Raubbaus an den Ressourcen, den materiellen wie spirituellen einräumt, steht groß und überdeutlich im Raum. Dennoch, die Neigung zur Verharmlosung ist das tägliche Geschäft nicht nur der meisten Politiker und Parteien sondern auch der Medien. Dabei ist das ökonomische Dogma vom ewigen Wachstum schon lange ad absurdum geführt.  Die Anbetung des Marktes in den Tempeln der Börse ist schlichtweg schwarze Magie, deren Bannkreis sich die Eliten jedoch nicht entziehen möchten. Das Entsetzen von 2008 ist, sechs Jahre später, schon vergangen; Vergessenmachen heißt das Zauberwort. Das Mantra dazu noch einmal: Es gibt keine Alternative. Doch sie ist schon da- die Terroristen von IS und anderen faschistoiden Organisationen zeigen den riesigen Schatten, der die Wachstumsideologie des Westens verdunkelt .
Was also ist zu tun? Nehmen wir als Ausgangspunkt eine Feststellung des berühmten Systemforschers Gregory Bateson: Wenn man den Lake Erie in den Wahnsinn treibt, geht sein Wahnsinn in das größere System unseres Denkens und Handelns ein.

Jede tiefer- oder  weiterreichende Ökologie, die solches Adjektiv verdient,  kann Batesons Satz nur unterstreichen. Naturprozesse sind intelligente, sprich lebendige, von feed back-Schleifen gekennzeichnte Systeme, die unmittelbar und kontinuierlich menschliche Interaktionen beeinflussen und entsprechend umgekehrt. Mit anderen Worten: die Behandlung der Erde durch einen vornehmlich technologisch orientierten Intellekt führt zwangsläufig zu gänzlich anderen Ergebnissen  als eine holistisch-ökologische, die die komplexe Einheit der Kommunikation zwischen Mensch und Planet zu reflektieren fähig ist. Die Abholzung der Urwälder und damit verbunden die flächendeckende Vernichtung brachliegenden Boden oder die Genverpestung durch eine chemische Landwirtschaft  und die damit zusammenhängende Verkümmerung von Pflanzen- und Tierwelten ist unmittelbar einsichtig. Die vorherrschende Antwort aber bleibt weiterhin: Mehr vom Gleichen! wir können/dürfen nicht anders; nur so werden die 8,9,10 Milliarden Menschen, die demnächst zu erwarten sind, überleben. 

Falsch!, was überlebt, ist einzig ein überkommenes DENKEN, das auf Knappheit, sprich dauernden Mangel und Ausbeutung setzt, mit den Mitteln des  Krieges, wo notwendig. Ethische Wertkategorien wie Solidarität, Autonomie, Ehrfurcht, Kooperation bleiben dabei leichthin auf der Strecke,  bzw. werden rundum für irreal erklärt, um mit den großräumigen Vernichtungen von Land, Mensch und Erde ungestört fortfahren zu können: sei es um- in Goldgräbermanier- die letzten Claims rund um die Antarktis abzustecken, sei es, um weltweite  Abhörnetze aufzuspannen, die von demokratischen Strukturen nicht mehr als den Anschein übriglassen. Dass die Ozeane inzwischen zu weitesten Teilen leergefischt sind, ist eine  der vielen Ungeheuerlichkeiten, die schon lange nicht mehr unterhalb der Kortikalrinde dringt- also das Herz und die menschliche Intelligenz des Mitgefühls zu erreichen vermag. Nietzsche, einer der genialsten Philosophen nicht nur seines Jahrhunderts, wurde wahnsinnig allein angesichts einer von der Peitsche gequälten Pferdekreatur.  Solcher Wahnsinn, besser, solches Entsetzen hat eine Ökonomie schon lange verlassen, in der eisigen Polarnacht einer eindimensional auskristallisierten bloßen Zweckrationalität. Die ökologischen, zumeist inzwischen irreversiblen Fakten sprechen für sich. Ein Großteil aller Experten  auf diesem Gebiet wandern demnach auf Einbahnstraßen; sie unterliegen den gleichen kollektiven Sachzwängen wie Politiker. Der objekt- und gewinnorientierte Verstand kann daher kein realistischer Maßstab mehr sein für Lösungen, die heilsam wären. Wie sehen diese- kurz skizziert - aus, so weit ein wacher unvoreingenommener Blick heute zu schauen vermag:

Der Ausgangssatz muß heißen: Es gibt immer eine Alternative! (Ob sie wahrgenommen, und wenn, dann auch von den herrschenden gesellschaftlichen Kräften akzeptiert wird, und zur Umsetzung angemahnt ja gefordert wird, ist allerdings eine andere Sache.) Die zweite, parallel dazu laufende Grundfeststellung besagt: die höchsten Errungenschaften politischen Zusammenlebens sind zweifelsohne jene, im Zuge eines demokratischen Bewußtseins kodifizierten allgemeinen Menschenreichte, wie sie die UN-Charta aufführt, als auch die u.a. in der deutschen Verfassung gesetzten ethischen Postulate der Unantastbarkeit der Würde und der Freiheit des Menschen- Frau, Mann, Kind, unabhängig von Hautfarbe, Rasse, Klasse und Geschlecht. Dieses sind die kostbarsten Güter demokratischer Ordnung. Sie übersteigen in ihrer Werthaftigkeit jede religiöse wie säkulare, kulturelle Einzelposition- sie sind spiritueller Natur, Ausdruck einer ebenso intutiv wie kognitiv erfaßbaren Wahrheit. Sie haben entsprechend Anspruch auf universelle Geltung. Jede Einschränkung ihrer Weiterentwicklung zugunsten rein wirtschaftlicher Interessen oder nationaler, religiöser bzw. säkularer (technologischer) Ideologien ist ein Eingriff in den Herzraum menschlicher Bewußtseinsentfaltung sprich humaner Zivilisation.

Die dritte Aussage nimmt Bezug auf Gregory Batesons Satz vom ökologischen Wahnsinnsvirus. Angesichts der sich immer dramatischer abzeichnenden Klimakrise und der gleichzeitig unverhohlen weiterlaufen Plünderung   des  Planeten Erde heißt die Konsequenz, die wiederum eine spirituelle ist: Die Einheit von Erde, Mensch und Kosmos ist nicht nur ein von der Wissenschaft inzwischen erkanntes und bezeugtes Faktum sondern ältestes Weisheitsgut der Menschheit, reflektiert in den Religionen, Mythen und philosophisch /metaphysischen Einsichten  aller Völker und Kulturen. Jede Handlung, die diese primäre Erkenntnis zu negieren sucht, ist nicht auf der Höhe heutiger Erkenntnis  und fördert aggressive-zerstörerische Konkurrenzen, die rasend schnell zu Kriegen jedweder Art führen.

Daraus folgt, viertens, unabdingbar, dass kapitalistische Mehrwertstrategien  nicht mehr das entscheidende Mittel der Wahl sein können: Erde und Mensch sind keine Warenlager, zur beliebigen Nutzung durch Großunternehmen und oligarchische Machstrukturen. Eigentum verpflichtet, zuallererst zur radikalen Neuüberdenkung dieses Begriffs im Hinblick auf die ökumenische Wahrheit  der Einheit in der Vielheit alles Lebendigen.  Boden, Wasser, Luft und Licht sind Allgemeingüter, die niemandem gehören- weder Einzelpersonen noch Unternehmen noch Staaten.  Sie sind unverzichtbare lebenspendende Kräfte, die allen Wesen dieser Erde zugute kommen müssen; Tiere und Pflanzen wie Landschaften etc. sind ebenso Ausdruck eines lebendigen Ganzen wie die Menschheit und bedürfen daher der Pflege und Fürsorge. Die schöpferische  Interaktion all dieser Entitäten muß das Ziel planetarer demokratischer Ordnungen der Zukunft sein. Mars und Venus sind keine Fluchtpunkte oder ‚Auswege‘ für einen Ökozid, der immer auch ein Genozid ist.

Damit kommen wir fünftens zum Stichwort Gemeinwohl, dem Dreh- und Angelpunkt  einer neuen ökosozialen Wirtschaftsordnung, die nicht Kapital-/Eigeninteressen in den Vordergrung stellt sondern das Wohl des Ganzen.
Solange Marktwirtschaft auf Gewinnstreben und Konkurrenz und der sich daraus ergebenden Übervorteilung beruht ist diese weder mit der Menschwürde noch  mit der Freiheit vereinbar. Sie zerstört systematisch das gesellschaftliche Vertrauen.  (Christian Felber, Gemeinwohlökonomie)

Wer sich heute klarmachen will, was das heißt, braucht seinen Blick nur Richtung  USA zu werfen, wo die Stadt Detroit, eine der größten Autoproduktionszentralen des Landes wie der Welt, nach der Lehmann  Brothers Bankpleite systematisch in den Ruin getrieben worden ist- von Politikern, Banken, und Großspekulanten. Heute ähnelt die einstige Metropole zu weiten Teilen einem ausgeweideten Kadaver, in dem eine immer größere Anzahl von Menschen buchstäblich verkommen- zu Kriminellen, Dealern, Banditen- Knechte des Kapitals. Detroit ist sichtbarstes Symbol einer totalitären Verwertungsmmaschinierie, die nur noch Ödnis hinterläßt. Diese findet sich im Herzraum des reichsten Landes der Welt.

Sechstens: Der konservative Journalist Frank Schirrmacher hat in seinem formidablen Buch EGO beschrieben , zu welch faschistoiden Ausuferungen die Wettbewerbsideologie des sogenannt freien Marktes führt. Jedoch, kein Zeitungsmacher von seinem Format wurde schneller beerdigt und vergessen! Das spricht Bände für die journalistische Grundstimmung der Elite der BRD. Am Status quo festzuhalten, also auch an den eigenen Privilegien scheint allemal sicherer als Neuland zu betreten. Die Vorstellung einer’neutralen‘, sprich objektiven Journalistik ist jedenfalls schon seit langem obsolet. In Zeiten von Internet und wirtschaftlichen Verwerfungen auf dem Medienmarkt ist diese Tatsache unverhüllter denn je ins Rampenlicht getreten. Ein Faktenjournalismus, der im nächsten Moment schon von den nächsten Katastrophen überspült wird, taugt weniger denn je. Die längerfristige reflektive Begleitung von ‚positive news,‘ also kreativen Ansätzen im Aufbau neuer nachhaltiger ökologischer Denk- und Praxisansätze beispielsweise, von denen es zuhauf Modelle gibt, werden erst gar nicht wahrgenommen, nach dem Motto- zu klein, zu unrealistisch, zu unrentabel. Man kennt das. (solche Pseudoargumente möchten jedoch nie die gesellschaftlichen Kosten der ungeheuerlichen Zerstörungen einer allgegenwärtigen Konsumwirtschaft bilanzieren).

Christian Felber hat in seinem bemerkenswert klaren Büchlein  ausgeführt, wie eine Solidarwirtschaft, die die Würde und Freiheit des Menschen und damit die spirituell demokratischen Grundrechte wahrt, in ihren Grundzügen ausschauen muß und wo die Veränderung anzusetzen hat- sein Fazit: Ein andere Wirklichkeit ist immer (noch) möglich und machbar, vor allem aber dringlicher denn je. Sie folgt  den Stichworten Kooperation, Solidarität, Nachhaltigkeit und Vertrauen und beginnt schon in den Schulen.

Siebtens: Man kann  davon ausgehen, dass Teile der Zivilgesellschaft in Europa und anderswo weiter entwickelt sind im Bewußtsein des Großen Wandels, in dem wir stehen, als Politik und Medien. Visionärer Wirklichkeitssinn findet sich bei Organisationen wie AVAAZ, Amnesty International  oder Preisträgern des Alternativen Nobelpreises um Vieles häufiger als auf der politischen Bühne. Die Frustration mehrheitlicher Teile der Bevölkerung an der EU beruht eben gerade darauf, dass wesentliche Erneuerungsprozesse weder in Angriff genommen werden, noch die Menschen selbst in direkter Stimme zu Wort kommen können. Die EU wird zurecht als  undemokratisch wahrgenommen- ein Klub der nationalen Staatsoberhäupter in Verbindung mit Wirtschaftseliten, die in Hinterzimmern, weiterhin, wie jetzt bei dem Abkommen um eine  westliche Freihandelszone TTIP, um die Durchsetzung dieses für jedwede ökosoziale Gerechtigkeit fatale Unternehmen schachern. Solcherart bleibt die EU gesichtslos, sie hat keine tragende Idee einer geistigen Fortentwicklung des europäischen Projektes. Die Ent-täuschung über das Ergebnis der letzten Wahlen ist groß oder ernüchternd; es wird an den emanzipatorischen Kräften selbst liegen, den schon erkennbaren  Visionen einer nachmodernen Welt Gestalt und damit Sichtbarkeit zu geben.

 Die Grundwörter hierfür heißen, achtens: zinsfreie Wirtschaft, Verzicht auf irreale Wachstumsiprogrammatiken, strikte ökologische Landwirtschaft, Regionalisierung, sprich Überwindung eines stumpf gewordenen Nationalismus,  globale Vernetzung für den Aufbau kleiner wie mittlerer Regionen und Kooperative mit selbstverwalteten grünen Energien und neue Institutionen, deren Revolution die eines spirituellen Wir- Raumes sein sollte, den der vietnamesische Mönch Thich Nhat Than auf englisch Interbeing nennt: Ein personales Bewußtsein, das seine Verflochtenheit mit der Welt zum Größeren Ganzen dieses Planeten und dessen kosmischen Umraum zu erfühlen und zu reflektieren vermag. A sacred place- ein gesegneter Ort. Dies ist die Kernaussage aller Religionen. Und immer noch gibt es zahlreiche indigene Populationen auf dieser Erde, deren kosmo-politische Einsicht  in den wiederkehrenden Riten  der jeweiligen Gemeinschaften gegründet ist, Zeremonien, welche Erde und Universum im Menschen, seinem Bewußtsein, je und je neu auferstehen lassen.- iin der Erkenntnis, dass alles Leben heilig, sprich begnadet ist, eine Gnade (oder ein Geschenk), deren Ursprung unbekannt bleibt. Sie allein vermag vielleicht einer Ökologie den Weg zu bahnen, die in eine gänzlich andere Richtung zeigt als  ein vampiristischer Freibeuterkapitalismus-, der nur noch Objekte in einem Warenlager, genannt Umwelt! kennt. Demokratische Strukturen ohne entsprechende Ehrfurchtsräume sind auf Dauer nicht zu halten.

Neuntens: Evolution entfaltet sich durch Kooperation, feed-back Schleifen, also Umkehrbarkeit  von als falsch erkannten Handlungssträngen und die wiederkehrende  Bejahung  gegenseitiger  Vernetztheit und Angewiesenheit. Moratorien, z.B. in der Frage neuer Technologien, deren Konsequenzen nicht absehbar sind, wären eine  natürliche Folge solcher Einsicht in globale Gegenseitigkeit. Im Sinne eines Spruchs von Bertold Brecht: ‚ Das Kleine ist klein nicht, und groß nicht das Große‘  bedeutet das- eine spirituelle Ökologie anerkennt den immanenten Zusammenhang von Innen- und Außenansicht, sie zielt auf die Wahrnehmung und Achtsamkeit für die vielen unscheinbaren Handlungsakte, die ein Ganzes ergeben; sie ist nicht profitorientiert, daher sach-dienlich, der Wahrheit des gemeinsamen Interesses dienend; entsprechend konflikt-bereit wie friedensorientiert, den Gegenüber mitbedenkend/dankend. Solche Ansätze wollen gepflegt werden (cultura)- müssen also in den Schulen beginnen; Fächer wie Kunst, Musik, Sport, Mediation, dazu Feiern und kulturell-zeremonielle Umsetzungen natur-wie geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse der Interdependenz, Schönheit und Sinnbezogenheit allen Lebens sind gefragt- rituelle Formen einer nachmodernen Tiefen-Ökologie. Mithin die Entfaltung emotionaler und spiritueller Intelligenz, die an keine Religionszugehörigkeit gebunden ist, aber den immensen Schatz religiöser Weisheit zu schätzen vermag. Die Kernfrage hier lautet: was braucht der Planet Erde von uns Menschen? Die umgekehrte Frage ist beantwortet: Zuviel! 

 
Schluß: Wem solche Einsichten naiv oder illusionär erscheinen, sei nur auf die Wirklichkeit des nächsten Terroristenkrieges, der schon zur Aufführung kommt, hingewiesen. Eine inzwischen nicht mehr endende Kette der immer gleichen Maßnahmen, die zu noch mehr Feldzügen, Zerstörungen und kollektiven seelischen Verwahrlosungen einladen als zuvor: Die dazu passende stereotype Rechtfertigung liefert, wie öfter, das Magazin 'Der Spiegel': seinèn Kommentar zum syrischen Dilemma kleidete er in die Frage, was i letztlich wichtiger sei - die Moral oder die eigenen Interessen?! (Spiegel Nr. 36). Die Antwort kennt man und die Folgen seit 9/11 ebenso. Ein selbstmörderischer Kreislauf des Mantras: Mehr vom  Gleichen! Solches gilt auch für das stacheldrahtbewehrte Festklammern an der Wohlstandsinsel Europa. Zitat (Spiegel Nr. 39, S. 25): 'Wir sind so, wie wir nicht sein wollen, aber so sind wir nun mal'.

Das ist die Philosophie der Verzweiflung- die Inszenierung eines ewigen Kampfes ums Überleben. Zudem ist sie - in ihrer Generalisierung- nicht wahr. Sehr viele Menschen heute setzen ihre ganze Kraft für eben die Überwindung derart festgezurrter Halbwahrheiten ein! Sarkasmus hat, wie man  aus der Geschichte nur zu gut weiß, wenig Zukunft. Europa hatte nach zwei verheerenden Weltkriegen eine andere Lektion gelernt: Frieden ist not-wendig und unabdingbar und- möglich! Wenn dieser Kontinent eine Attraktion für die weitere Welt zu bieten hat, dann ist es genau diese auf ‚eigenem Terrain‘ eingelöste Utopie. Diese muß um die ökosozialen Tatsachen von heute erweitert werden. Die Vorstellung, dass eine Großzivilisation, die an einer mörderischen Ausbeutung der Schätze deses Erdballs festhält, nicht scheitern könne, ist lächerlich. Die Evolution kennt kein ‚too big to fail‘. Die Erde zu 'häuten', wie die berühmte amerikanische Kritikerin des globalkapitalistischen Systems, Naomi Klein, in ihrem eben erschienenen Buch: Capitalism versus the Climate beschreibt, ist ein Akt planetaren Selbstmords, der von Großunternehmen wie Staaten inzwischen eingeläutet ist. Der Herzraum irdischen Lebens, wahrgenommen durch die Farbe Grün, käme damit zum Erlöschen.

 
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